Letter to Ulrich Roehm, rejection of 'Deutscher Tanzpreis'                                                                                                        

Lieber Herr Roehm, lieber Herr Putke,

bitte entschuldigen sie meine so sehr verspätete Antwort auf ihr 
vorletztes Schreiben. Der Grund dafür ist nicht nur die Arbeit, 
die auf mich in den letzten Wochen zukam, sondern hauptsächlich 
meine fundamentale Einstellung zu all den Fragen und Umständen, 
die diese Preisverleihung mit sich bringt...

In den letzten Monaten habe ich versucht meine “Vergangenheit” 
zu ordnen, überschaubar zu machen und teilweise auch zu verstehen.
Kein leichtes Unternehmen. Diese, für mich sehr ungewöhnliche 
Tätigkeit hat mir aber etwas wichtiges klargemacht: Sie hat 
mich gelehrt, dass es besser sei über die Zeit nachzudenken, 
die uns möglicherweise noch zu Verfügung steht, als über die, 
die endgültig vorbeigezogen ist... “Wie grossartig”, könnte man 
sagen, und ich stimme zu...

Trotzdem hat diese kleine “Erfahrung” meine zukünftige 
Entscheidungen grundsätzlich beeinflusst. Diese "Offenbarung" 
hat mir klargemacht, dass ich für die Zeit, die vielleicht 
noch vor mir liegt, pragmatische Entscheidungen treffen sollte.

Die Fragen sind klar:   
1) Wie willst Du die Zeit zwischen denen, die Du liebst , 
    schätzt oder respektierst am besten verteilen..?
2) Wie willst Du entspannen und lernen neues zu entdecken..?
3) Wie willst Du die Zeit, die Dir noch übrig bleibt, 
Deiner Kreativität widmen..?
 

 
	
	
Diese "Kleinigkeiten" haben mich oft dazu geführt, einige 
unorthodoxe Entscheidungen zu treffen...
Wenn ich an ihr Angebot denke - mir den “Deutschen Tanzpreis” 
zu verleihen - bin ich ihnen sehr dankbar - Doch fühle ich, 
dass ich diesen Aufwand, diese Ehre, diese Aufmerksamkeit
samt aller Vorbereitungen und Umstände eigentlich nicht 
ertragen kann.
     
Sie werden sich sicherlich erinnern, dass ich meine Zweifel 
über meine Akzeptierung dieses Preises schon bei unserem 
Treffen in Prag geäussert habe.
Summa Summarum - Ich will mich mit meiner, vielleicht etwas 
ungewöhnlichen Haltung sicherlich nicht als Held profilieren, 
der dem "Establishment"  die "Stirn geboten hat", oder als 
einer, dem eine derartige "Huldigung" nicht gut genug ist
 - nein - im Gegenteil, ich schätze ihre Anerkennung sehr, 
aber es ist mir unmöglich sie zu akzeptieren.
Ich hoffe, dass sie mir verzeihen können, da ich ihnen in 
meinem Schreiben vom 6. April 2010 das Gegenteil versichert 
habe....

                                        Ihr Jiří Kylián

    Den Haag 11. November 2010